Auch die Atemmuskeln kann man stärken! Ein Lungentraining schützt zwar nicht vor Atemwegserkrankungen, doch eine gesunde Konstitution kann den Verlauf einer Erkrankung und vor allem die Erholungsphase durchaus positiv beeinflussen. Angenehmer Nebeneffekt: Regelmäßige Atemübungen sorgen für mehr Lungenvolumen und eine bessere Durchblutung des lebenswichtigen Organs – ein Plus bei Bewegung und beim Sport, aber auch bei so schönen Beschäftigungen wie dem Singen.
Zwar besitzt die Lunge keine eigene Muskulatur. Doch sie ist von Muskelgruppen umgeben, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen. Vor allem das Zwerchfell, eine feste Platte aus Muskeln und Sehnen, trägt bis zu 80 Prozent der Energie bei, die für das Ein- und Ausatmen notwendig ist. Weitere Unterstützung liefern die Zwischenrippen-muskeln, die Hals- und Nackenmuskulatur und sogar die Rücken- und Bauchmuskeln arbeiten mit. Diese Muskelgruppen lassen sich mit gezielten Übungen effektiv kräftigen – die Lunge profitiert davon.
In Zeiten des Coronavirus hat der Atmungsapparat des Menschen besonders viel Aufmerksamkeit erfahren. Denn die Infektionskrankheit Covid-19 schwächt bei einem schweren Verlauf die Lunge so sehr, dass künstliche Beatmung notwendig werden kann. Eine aktive Stärkung der Lunge beziehungsweise der sie umgebenden Muskulatur schützt zwar nicht vor Infektionen und auch ein schwächerer Verlauf ist dadurch nicht garantiert. Doch je fitter und trainierter Patienten sind, desto besser und schneller scheinen sie sich in der Regel nach überstandener Krankheit zu erholen. Für Patienten mit Atemnot oder Atemfunktionsstörungen empfehlen sich Atem-übungen grundsätzlich: etwa bei COPD (englisch chronic obstructive pulmonary disease, zu deutsch chronisch-obstruktive Lungenerkrankung), Lungenfibrose oder Asthma. Die Übungen lösen Schleim und beugen anderen Erkrankungen wie Lun-genentzündungen vor. Panikattacken bei Atemnot lassen sich mit gezielter Technik ebenfalls in den Griff bekommen.
Ein gezieltes Lungen-Workout empfehlen Ärzte auch als Vorbereitung auf eine Lungen-OP, weil sich das Organ durch die vorherige Kräftigung häufig schneller wieder erholt.
Lassen Sie sich die Übungen am besten von medizinischem Fachpersonal zeigen, und steigen Sie dann langsam in das Training ein. Regelmäßiges Üben ist besonders nachhaltig, doch außer Atem sollte man dabei nicht kommen. Anfangs genügen einmalig drei bis fünf Minuten pro Tag. Sobald das einigermaßen leichtfällt, kann man allmählich auf dreimal täglich fünf Minuten steigern. Dreimal am Tag zehn Minuten Training sind für eine kräftige Lunge optimal.
1. Bewusst atmen. Eine einfache Übung zum Einstieg, die man im Stehen, Sit-zen oder Liegen absolvieren kann: durch die Nase einatmen und etwa doppelt so lange mit leicht geöffnetem Mund wieder ausatmen. Ein Blick auf den Sekundenzeiger der Uhr oder aufs Handy hilft, die jeweils richtige Atemlänge zu finden. Der Atem wandert dabei mit der Zeit automatisch bis in den Bauch und trainiert so die umliegende Muskulatur.
2. Kutschersitz und Lippenbremse. Diese beiden Atemübungen helfen, Ver-engungen der Atemwege entgegenzuwirken, wie sie für Asthma und Atemnot bei COPD typisch sind. Für die Lippenbremse tief durch die Nase einatmen, durch die locker aufeinanderliegenden Lippen langsam wieder ausatmen. Die Wangen sollen sich dabei sanft aufblähen. Der gebremste Luftstrom erweitert die Atemwege. Beim nächsten Atemzug etwas mehr Luft einatmen. Der Kutschersitz entlastet den Brustkorb und erleichtert das Atmen. Dafür auf die Vorderkante eines Stuhls setzen (auf Sicherheit achten, nicht kippeln!) und den Oberkörper weit vorbeugen. Die Beine stehen hüftbreit aus-einander, die Ellenbogen liegen eine Handbreit vor dem Knie auf. Bei dieser Haltung wird der Brustkorb entlastet, die Lungenumgebungsmuskulatur kommt verstärkt zum Einsatz, das Atmen fällt leichter. Den Kutschersitz kann man auch variieren: auf einem Stuhl wie oben beschrieben Platz nehmen, den Kopf auf dem Tisch ablegen, die Arme anwinkeln. Ruhig und gleichmäßig ein- und ausatmen, die verkrampfte Bronchialmuskulatur kann sich dabei entspannen.
3. Wechselatmung. Diese Atemübung stammt aus dem Yoga. Zunächst das rechte Nasenloch mit dem rechten Daumen schließen und über das linke Nasenloch acht Sekunden lang einatmen. Dann beide Nasenlöcher mit Daumen und Ringfinger verschließen und die Luft für vier Sekunden anhalten. Nun das rechte Nasenloch wieder öffnen, das linke bleibt geschlossen. Die Luft über das rechte Nasenloch acht Sekunden lang vollständig ausatmen. Dann andersherum: das linke Nasenloch schließen, über das rechte acht Sekun-den lang einatmen. Mit beiden Fingern beide Nasenlöcher zuhalten und die Luft vier Sekunden lang anhalten. Das linke Nasenloch wieder öffnen und die Luft darüber acht Sekunden lang ausatmen. Anfangs vorsichtig üben, mit zunehmender Leichtigkeit der Übung die Zeit des Luftanhaltens und des Ausatmens langsam steigern.
4. Bauchatmung. Aufrecht hinstellen oder gerade auf einen Stuhl setzen, die Beine stehen schulterbreit. Nun die Hand unterhalb des Bauchnabels flach auflegen. Beim Einatmen den Bauch so weit wie möglich gegen die Hände drücken. Beim Ausatmen den Bauch aktiv einziehen, jedoch ohne Druck durch die Hände. Die Übung etwa zehn- bis zwölfmal wiederholen.
5. Brustkorb weiten. Nehmen Sie aufrecht auf einem Stuhl Platz, die Füße stehen schulterbreit auf dem Boden, die Hände liegen auf den Oberschenkeln. Nun beim Einatmen einen ausgestreckten Arm seitlich so weit wie möglich hinter den Körper führen, der Brustkorb dreht sich mit. Kurz innehalten, dann beim Ausatmen den Arm langsam zum Bein zurückführen. Der Brustkorb wird geweitet, die Muskulatur gedehnt. Je Seite acht- bis zwölfmal.
Quelle: Wort und Bild Verlag
Bild: Plainpicture GmbH/ Jan Mammey
Freitag, 22. Mai 2020